Am heutigen 18. März „feiern“ wir den „Equal Pay Day“ (EPD) – ein Tag, den wir feiern müssen. Denn wahrlich würden wir auf diesen wenig erfreulichen Tag lieber verzichten. Er markiert nämlich den Zeitpunkt, ab dem Frauen in Deutschland statistisch gesehen Geld für ihre geleistete Arbeit verdienen. An den bisherigen 77 Tagen des Jahres 2019 wurden – so die Statistik – lediglich Männer entlohnt. Der sogenannte Gender Pay Gap, also der prozentuale Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von angestellten Männern und Frauen, beträgt sage und schreibe 21 Prozent.
Gabriele Zorn, Präsidentin Soroptimist International Deutschland nimmt dazu Stellung: „Es geht mir nicht darum, Neid oder Missgunst zu schüren, es geht auch nicht um Schuldzuweisungen. Es geht darum, dass sich etwas ändern muss!
Ungerechte Verteilung der Gehälter
Man sollte meinen, dass eine fortschrittliche Gesellschaft in Sachen Gleichstellung und Gleichberechtigung weiter ist. Diskriminierung und Ausgrenzung sollten in allen gesellschaftlichen Bereichen der Vergangenheit angehören. Der „Equal Pay Day“ zeigt, dass das leider nicht den Tatsachen entspricht.
Warum? Der sogenannte Gender Pay Gap beträgt in Deutschland, wie bereits erwähnt, unbereinigt 21 Prozent (EU-Durchschnitt: 16 Prozent). Laut Statistischem Bundesamt stehen dem durchschnittlichen Stundenbruttoverdienst der Männer von 21 Euro ein Wert von 16,59 Euro bei Frauen gegenüber. Sicherlich gibt es strukturelle Gründe und Erklärungen, die dieses Ungleichgewicht herbeiführen. Bevor ich auf diese eingehe, möchte ich Ihnen jedoch den bereinigten Gender Pay Gap näherbringen. Hier werden genau diese unterschiedlichen Gegebenheiten von Männern und Frauen herausgerechnet. Das Ergebnis: Frauen verdienen bei gleicher Tätigkeit und vergleichbarer Qualifikation immer noch sechs Prozent weniger. Für diese Zahl gibt es keine Erklärungen, keine Rechtfertigungen. In meinen Augen ist das blamabel für ein Land, das fortschrittlich und modern sein möchte.
Festgefahrene Strukturen müssen aufgebrochen werden
Noch problematischer, und hierauf möchte ich jetzt näher eingehen, sind festgefahrene strukturelle und gesellschaftliche Gegebenheiten, die für den derart gravierenden Lohnunterschied von über einem Fünftel verantwortlich sind. „Dann sollen Frauen doch Berufe wählen, in denen sie mehr verdienen.“ So oder so ähnlich lauten häufig die Argumente derer, die das Ausmaß der Ungleichbehandlung nicht in Gänze verstanden haben. Es gibt nämlich etliche Gründe, weshalb „Argumente“ wie dieses schlicht und ergreifend nicht ziehen.
• Immer wieder werden familienbedingte Auszeiten der Frauen als Begründung für eine schlechtere Bezahlung ins Feld geführt. Die Kindererziehung oder das Pflegen von Angehörigen ist nach wie vor Frauensache – und ein wichtiger wie ehrenwerter Dienst an der Gesellschaft. Folglich ist es so, dass das Einkommen einer Frau mit der Geburt eines Kindes um über 75 Prozent sinkt, aber dann auch zehn Jahre später immer noch 60 Prozent unter dem ursprünglichen liegt.
• Selbstverständlich führt auch die Berufswahl zu unterschiedlichen Gehältern, daran soll sich auch gar nichts ändern. Erschreckend ist allerdings ein Trend, den ZEIT ONLINE in einem Artikel aus dem vergangenen Jahr beschreibt: Kellner, Friseur, Apotheker oder Grundschullehrer – in all diesen einst männerdominierten Berufen kam es demnach „vor oder während der Feminisierung zu einem teils erheblichen Statusverlust“. Was das bedeutet? Steigt der Frauenanteil, sinkt das Gehalt. Für verschiedene Berufe ist das statistisch bewiesen, Wissenschaftler sprechen von einer Entwertung bezüglich des Ansehens und des Gehalts.
• Daran knüpft eine andere Problematik an: die der Stereotypisierung vieler Berufsbilder. Gängige Stereotype müssen aufgebrochen werden! Das beginnt im Kindergarten, wo eben nicht nur der Junge, sondern auch das Mädchen Feuerwehr und Polizei spielen darf und endet in deutschen Dax-Konzernen, in denen es nach wie vor keinen weiblichen Vorstandschef gibt. Offenbart werden diese Stereotype besonders in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Nur 15 Prozent aller Beschäftigten in diesen Berufen sind weiblich, die Entwicklung stagniert seit 2013 nahezu. Hier möchte ich kurz an Claudia Kessler erinnern, die sich aktiv für Frauen in der Raumfahrt und MINT-Berufen einsetzt und am 8. März mit dem Soroptimist Deutschland Preis ausgezeichnet wurde.
Spürbare – und gefährliche – Folgen
Mit etlichen Zahlen ist zu belegen, dass diese strukturellen Gegebenheiten ernsthafte Gefahren birgen. Unter den 30- bis 50-Jährigen beispielsweise sind 88 Prozent der Männer in Vollzeit beschäftigt, aber nur 39 Prozent der Frauen. In der gleichen Altersgruppe verfügen 42 Prozent der Männer über ein Nettoeinkommen von mehr als 2.000 Euro, bei den Frauen sind es zehn Prozent – Zahlen, die sich dann im Alter drastisch auswirken: Etwa 8,6 Millionen Rentner erhielten Ende 2016 eine Altersrente von weniger als 800 Euro monatlich – 64 Prozent davon sind Frauen!
Unser Fünf-Punkte-Plan zur Beseitigung des Pay Gaps:
Wir von Soroptimist International Deutschland setzen uns seit jeher für die Verbesserung der Stellung der Frau ein. Deswegen fordern wir:
1) Frauen, vernetzt Euch!
Nutzt endlich die Fähigkeit, die Euch auch abseits der öffentlichen Bühne auszeichnet, und kooperiert, statt jede für sich zu kämpfen. Sucht Euch Verbündete, bildet oder beteiligt Euch an Netzwerken (wie z. B. Soroptimist International Deutschland) und gebt Euch gegenseitig Ratschläge und Selbstvertrauen. Gemeinsam haben wir eine starke Stimme für unsere Rechte!
2) Männer, unterstützt uns!
Hört auf, die Gleichstellung der Frau als Bedrohung zu empfinden, und erkennt die Potenziale der Gleichberechtigung, die durch unsere unterschiedlichen Fähigkeiten entstehen. Übernehmt auch bei der Hausarbeit Verantwortung. Und wenn ein Mann nachmittags aus dem Büro verschwindet, um sein Kind aus der Kita abzuholen, oder auch im höheren Management Elternzeit nimmt, sollte das akzeptiert statt belächelt werden!
3) Politiker*innen, engagiert Euch!
Die oben genannten strukturellen Probleme zeigen: Ohne gesetzliche Rahmenbedingungen ändert sich zu wenig! Belasst es also nicht nur bei Lippenbekenntnissen und schafft endlich eine echte Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Die Frauenquote funktioniert in Aufsichtsräten, warum also nicht auch in anderen Wirtschaftsbereichen? Gerade die Politik und der öffentliche Dienst sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen! Setzt den „Equal Pay“ endlich per Gesetz durch und belohnt es, wenn Männer und Frauen das Elterngeld und die Elternzeit in gleichen Teilen in Anspruch nehmen!
4) Unternehmen, traut Euch!
Verankert das Thema „Gleichstellung der Geschlechter“ gleichermaßen in Eurer Unternehmensphilosophie und in Eurer Geschäftsstrategie und lebt einen echten Kulturwandel. Realisiert flexible und lebensphasenorientierte Arbeitszeitmodelle, schafft Lohntransparenz und fördert die individuellen Kompetenzen von Männern UND Frauen. Auch die „Führung in Teilzeit“ sollte kein Tabu sein!
5) Gesellschaft, verändere dich!
Mach deinen Kindern klar, dass sie alles werden können, was sie wollen, und dass kein Beruf dieser Welt nur den Jungs/Männern vorbehalten ist. Stärke die individuellen Talente statt auf das Geschlecht zu achten. Schaffe durch Dialoge, Aktionen, Ideen und Vorbilder ein Bewusstsein und die Bereitschaft für Veränderung! Denn: Gerechtigkeit sollte im Sinne ALLER Menschen sein!“